Vom Schreiben und dem Maß der Träume

Es ist ja wie mit allem: Ich kann es einfach nicht. Das zu leben, was ich schreibe, meine ich. Ich kenne es. Ich weiß davon. Ich kann es ausdrücken. Doch in der Umsetzung bin ich ein hoffnungsloser Dilettant. Ich schreibe von der Verwirklichung der Träumen. Von Sehnsüchten, von verlorengegangenen und wiederzugewinnenden Idealen. Und ich schreibe auch von Werten. Das Wunderschöne am Schreiben ist, dass man das Besprochene mit Worten berührt. Worte sind wie die Handschuhe einer sprechenden Seele. Sie sind behutsam, wenn ich es will. Oder sie sind brutal oder hart. Immer aber sind sie vorsichtig und derjenige, der sie liest, kann selbst entscheiden, wie nahe er diese Worte an sich heran läßt und wann er das Buch in die Ecke schmeißt. Anders ist es mit dem Leben der beschriebenen Träume. Da erlebe ich es allzu oft so, wie Kahil Gibran es beschrieben hat, wie es wohl kaum einer besser kann:

„Euer Herz weiß schweigend die Geheimnisse der Tage und der Nächte. Doch eure Ohren lechzen nach dem Klang des Wissens eures Herzens. Ihr möchtet in Worten erfahren, was ihr im Denken schon immer gewusst habt. Ihr möchtet mit euren Fingern den nackten Leib der Träume begreifen.(..). Doch haltet keine Waage bereit, um eure unbekannten Schätze zu wägen. Und versucht nicht, die Tiefen eures Wissens  mit Messstab oder Lotleine zu ergründen. Denn das Selbst ist ein Meer ohne Grenzen und Maß!“

Ohne es selbst zu bemerken, hatte ich es mit dem Schreiben schon wieder wissen wollen. Ich wollte mit meinen Worten die Lotleine auswerfen. Sie waren Waagen für mich, mit denen ich das, was ich sagen wollte, möglichst wertvoll erscheinen lassen wollte. Das will ich nicht mehr. Es kommt nichts dabei heraus, als der alte Krampf um den Erfolg. Verkaufszahlen, Presseabdrucke, diese Frage – „wie viele Leute waren auf deiner Lesung?“ Oder „Wie läuft Dein Buch?“ Diese Frage will ich nicht mehr hören. Ich habe erkannt, wie süchtig mich mein Leben nach Anerkennung gemacht hat, wie schwer es mir fällt, einfach nur meinen Träumen und Sehnsüchten zu folgen, ohne mit den Augen herum zu schielen, wer dabei zuschaut. Furchtbar. So hat das Schreiben aufgehört.

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