Warum Puppen gar nicht weiblich sind

Ich würde mal sagen, mindestens 90 Prozent aller Schaufensterpuppen stellen Frauen dar. Und ihre modischen Klischees. Nach etlichen Sessions, in denen ich mich selbst in Schaufenster gestellt habe und Puppe gespielt habe, hat sich meine Meinung über die Puppen geändert.

Die meisten werden behaupten, dass die Weiblicheit einer Puppe mit der Kauflust der Frauen zusammenhängt. Damit, dass die Puppen Frauenkleidung tragen, und dass die meiste Kleidung von Frauen gekauft wird. Aber das ist Quatsch. Puppen sind nicht deshalb weiblich.

Schon als Babys bekommen Mädchen Puppen zum Spielen. Sie werden deswegen nicht mehr und auch nicht weniger weiblich. Aber die Jungs kriegen keine Puppen, weil sie dadurch weniger männlich wären. Bereits für einen nur wenige Monate alten Baby-Jungen gilt es als furchtbar unmännlich und extrem peinlich, mit einer Puppe zu spielen. Obwohl er noch längst kein ‘Mann’ ist, bekommt er schon harte und seelenlose Objekte in die Hände gedrückt: Autos, Computerspiele, Spielzeugbagger. Ein Mann ist er ja erst, wenn er es komplett geschafft hat: Alles Weibliche phobisch aus seinem Leben auszugrenzen. Seine innere Frau lernt der Mann daher nie kennen. Sein Verhältnis zu ihr ist zutiefst gestört. Er verdrängt sie, weist sie zurück, unterdrückt sie, tut ihr sogar Gewalt an.

Die Personifizierung der Weiblichkeit sind nun einmal die Frauen. Um sich von ihnen zu differenzieren, hat er sie als Puppen in Schaufenster gestellt. Jetzt kann er endlich das machen, was er als kleiner Junge nicht durfte: Jetzt darf er die Frauen anziehen, umkleiden, sie mit schönem Christbaum-Firlefanz behängen, ihnen etwas kaufen. Kleidung. Schmuck. Designstile.

Mit seiner Kauferei stülpt der Mann den Frauen seine Wunschklischees über, und darf sie ungestraft anschauen, begaffen, beurteilen, bewerten, all das, was ihm als kleiner Junge verboten wurde. Und um sich auch weiterhin erhaben und besser von all diesem weiblich Verpönten abgrenzen zu können, um sein Mannsein zu schützen, zu nähren und zu unterstützen, gestaltet er diese Klischees selbst. Ohne es zu bemerken, sind die Männer zu Puppenspielern geworden, festgefahren, feststeckend in ihrem eigenen unaufgearbeiteten Schlamm. Sie haben sich selbst dabei vollkommen verloren und das Aussichtslose ist es, dass sie das nicht wissen. Denn als Mann weiß man doch alles.

Viele Frauen machen dieses Theater schon lange nicht mehr mit. Sie sind aus so vielen Stereotypen ausgebrochen. Und aber doch noch sehr verfangen. Wegen dieser gegenseitigen Puppenspielerei. Die Frauen tun – soweit sie es können – was sie wollen. Nur der Mann ist nach wie vor emsig bemüht, die Weiblichkeit als Klischee darzustellen. Damit er etwas hat, was er ablehnen kann, was er funktionalisieren kann, wie sein hartes Baukranspielzeug, wie die Imagewelten in den Computerspielen. Weil er völlig verheddert diesem Drill unterliegt, nicht weiblich sein zu dürfen, damit er wirklich Mann sein kann.

Konfrontation mir der eigenen Weiblichkeit ist für einen Mann eine existentielle Identitätsfrage. Denn dann merkt er sofort: Diese Art von Mannsein ist so reduziert. Sie ist erstarrt. Wie eine Puppe.

Mehr dazu am 24. Januar um 19.30 Uhr im Münchner Literaturhaus auf meiner Buchpräsentation von “Die Frau in mir” und am 31. Januar um 22.35 Uhr auf Arte in Dariusch Rafiys Film “Christian & Christiane”.

Und hier der Link zum Bestellen des Buches.

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