Lukas Lessing: Wer weiß schon, wie weit das Ende der Menschen noch weg ist?

Christian Seidel: Niemand weiß es. Wir wissen eigentlich nichts darüber. Trotz Forschung und Mondfahrt. Vermutlich werden wir über die Nähe von unserem Ende nie auch nur einen Hauch von Wissen haben. Das Ganze wird auch nicht genauer, wenn man den einzelnen Menschen selbst anschaut. Immerhin differiert bei Menschen aber die Lebenserwartung extrem. Aber keiner weiß auch hier etwas Genaueres. Der eine mag nur noch eine Sekunde lang leben. Der andere noch 80 Jahre. Keiner von beiden weiß es aber. Man könnte meinen, daß deswegen die bevorstehende Lebenszeit irrelevant  und nur der jetzige Moment bedeutend wäre. Auf dieser Erkenntnis baut die Philosophie der Meditation und der Bedeutung des Bewusstseins für den Moment für dieses Leben auf.  Der entscheidende Punkt ist, daß derjenige, der die potentiellen 80 Jahre vor sich hat, oder einer, der noch 40 vor sich hat, oder auch einer, der vielleicht noch eine Minute vor sich hat, ja daß diejenigen, die schlichtweg noch ‘Zeit’ vor sich haben, dieser Möglichkeit, zu leben, beraubt werden, wenn alle so leben, daß sie praktisch ihr kollektives Ende geradezu produzieren und herbeibeschwören. Die Länge meiner eigenen Lebenszeit kann daran geknüpft sein, wie lange die Menschheit noch existiert. Ist es nicht eine ungeheuerliche Vorstellung, daß dies umgekehrt nie der Fall ist? Das muß doch demütig machen. Wir müssen unser Handeln für das Überleben der Menschheit einsetzen. Aus ganz egoistischen Gründen. Das weiß man doch einfach.  Frage, weil mir das wirklich unklar ist: Warum weiß denn jeder, wo die Probleme sind und keiner handelt danach?

VorherigerNächster