In meinem Esszimmer steht ein chinesischer Hochzeitschrank. Ein niedriges Möbel in mattem Rot mit einem leicht grauen Touch. Es wird zentriert von der für solche Chinamöbel typischen, runden, goldenen, sehr dünnen Metallplatte. Sie ist um den Bereich der beiden Flügeltüren geschlagen, dort, wo die Türen nicht durch ein Schloß zusammengehalten werden, sondern durch eine kleine Eisenstange, die man durch zwei in einem asiatischen Stil geschwungene Messingösen schieben muß. Diese kleine Eisenstange habe ich verloren! Diese mittlere Katastrophe hat meine heile Welt in eine Unruhe gebracht. Zwischen meinen vier Wänden fühlt es sich nun so an, als hätte ein unsichtbarer Feind mit einem brutalen Löffel durch meine sensiblen Empfindungen gerührt. Kurz und gut, das Problem besteht aus folgenden, verblüffend simplen Komponenten: Der Boden, auf dem der Schrank steht, ist nicht hundertprozentig eben. So schwingt eine der beiden Flügeltüren beim Betreten des Esszimmers komplett auf, weil der Altbau-Boden dabei leicht vibriert. Die andere Tür schwingt langsam auf und begleitet das klopfende Geräusch meiner Schritte auf dem Parkettboden mit dem gespenstischen Knarzen einer ungeölten Tür. Kaum daß ich dieses Geschehen wahrnehme, werde ich unruhig, nervös, gereizt, schlecht gelaunt, sauer. Meine schlechte Stimmung ist schlagartig derartig ungehalten, dass ich sie kaum noch vor meinen Mitmenschen verbergen kann. Ein japanisches Essstäbchen habe ich durchzustecken versucht. Einen dünnen Fonduespieß. Einen Kugelschreiber. Ich habe Clopapier zerknautscht, leicht befeuchtet und hineingeschoben, in der Hoffung, dass diese Türen endlich zubleiben würden. Ich war in asiatischen Möbelgeschäften. Weder einen neuen, genau so passenden Metallstab habe ich gefunden, noch etwas anderes, das diesen Zweck erfüllt. Seitdem ist etwas Entscheidendes nicht mehr in Ordnung bei mir zu Hause und das ist unglücklicherweise viel zu klein und zu geringfügig, als dass ich darüber Aufhebens machen sollte. So gehe ich einfach nicht mehr so gerne in mein Esszimmer. Seit zwei Tagen esse ich auf meinem Bett. Seit zwei Tagen schaue ich mir während des Essens die Fernsehbilder aus Japan und Libyen an, weil genau vor meinem Bett ein Fernseher steht. Ich habe den jetzt rausgestellt, damit ich besser essen kann. Ich sehe nicht mehr fern, wegen diesem verdammten Metallstäbchen, weil ich diese Bilder und diese Debatten nicht mehr sehen will. Gottseidank ist es weg, dieses Metallstäbchen.