Nicht mehr viel zu erzählen

Wenn ich ehrlich bin, gibt es von mir selbst eigentlich nicht sehr viel zu erzählen. Es ist immer das Gleiche, was passiert. Ich mag gutes Essen, mal stehe ich morgens frisch auf, mal trage ich die Müdigkeit in den Tag hinein. Alle möglichen Begegnungen mit Menschen bringen das Gedankenkarussell schnell zum Drehen. Das beginnt bereits zu Beginn eines Tages im Kopf, ohne daß ich wirklich jemandem begegnen muß. Meine Gedanken malen sich die Begegnungen aus, in grellen, lustigen und auch in dunklen, furchterregenden Farben. Mit diesem Stimmungsbild kollidiere ich später mit einigen Mitmenschen, denen ich an dem Tag persönlich begegne. Ich kann sie aus meinem Terminplan herausstreichen. Oder per Telefon oder Email neue dazu verabreden. Ich kann mich aber auch dazu entscheiden, gar niemanden zu treffen. Das habe ich ein paarmal gezielt versucht und ich muß gestehen, daß ich diese Tage genossen habe. Das Drehen der Karusselle in meinem Kopf  hat sich sofort verlangsamt. Ohnehin bin ich mir nicht mehr so sicher, was ich während solcher Begegnungen überhaupt erzählen soll. Hat das Treffen einen geschäftlichen Anlaß, so läßt sich der zu besprechende Punkt schnell abhacken. Telefonisch oder elektronisch wäre das vielleicht effektiver gewesen. Aber bei diesen Begegnungen sitze ich dann da, beim Essen, beim Cafe, andere Menschen laufen herum, es schmeckt oder nicht, der Service reizt zu Kommentaren, und mir selbst sind die Gesprächsthemen ausgegangen. Ich habe über alles in meinem Leben bereits millionenmal gesprochen, also was solls!? Sicher, ich kann die Themen variieren, indem ich immer wieder das Gleiche mit immer wieder neuen Menschen bespreche. Aber ich bin doch keine Fernsehtalkshow auf zwei Beinen. Und nicht zuletzt wäre ich selbst allzu oft das Thema: wie ich dies finde und jenes finde, den Politikwahnsinn, die immer wieder beginnende und endende Wirtschaftskrise, all diese Endlosthemen, die sich wie ausgeleierte Gummis bis zum Horizont spannen lassen. Und weil es von mir selbst nicht mehr so viel zu erzählen gibt, was meine eigenen inneren Zuhörer interessieren würde, ist das in mir drinnen eingebaute Kommentar-Stadion eigenartig ruhig geworden. Umso weniger ich tue, um diese Menge in mir aufzubringen, diese unerzogene Mischpoke, die ungefragt zu überschwenglichen Applausen, Buhrufen oder sogar zu handgreiflichem Randale neigt, umso weniger ich sie reize, desto glücklicher fühle ich mich. Es ist, als würde ich nach einer langen, lärmenden Zeit endlich bei mir selbst angelangt sein. Und dazu gibt es gar nicht mehr so viel zu erzählen.

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