Im Ernst, ich versuche gerade, alles zu geben, um möglichst fraglos dreinzuschauen. Aber es gelingt mir nicht. Es muß aber doch irgendwie möglich sein, damit anzufangen, mit einem unschuldigen und fraglosen Dasein an einem wunderbaren Tag wie diesem.
Mit dem richtigen Blick vielleicht. Doch morgens in der Früh wirft der im Badezimmerspiegel meistens gleich einen Haufen Fragen auf: Bin das ich? Verschwinden die Ringe unter den Augen, bis ich die erste Verabredung habe? Woher zum Teufel kommen sie überhaupt? Die Nieren, das Herz? Zu viel Chilli gegessen, der Alkohol oder ist das angeboren? Magenkrebs? Vielleicht muß ich einfach zum Arzt. Und zum Friseur, denn es wird immer grauer dort droben. Und lichter. So eine Babyhaar-Bürste muß her. Wo gibts die? Und: Ist es peinlich, daß ein Mann sowas kaufen muß? Eine, die mein Haar wie einen feinen Teppich dicht verteilen kann. Ich weiß zwar nicht, warum es als unschön gilt, wenn die Kopfhaut durchscheint. Aber es gibt so Vieles, was ich nicht weiß und sich deswegen sofort in ein Fragezeichen verbiegt.
Also mach ich um diese Morgenfragen, die sich unaufgefordert in meinen Tag hinein geschlichen haben, erst mal einen großen Bogen.
Sie sind aber da! Verdammt, die Fragen sind da! Was soll ich mit ihnen tun, wollte ich doch einen fraglosen Tag leben. Einen von diesen freien und glücklichen Tagen, von denen die Dichter in ihren Versen schwärmen. Sein lassen, diese Fragen? Registrieren und sein lassen, sagen die Zenmeister.
Ich glaube, Fragen bestehen aus Vakuum. Umso entspannter mein Beobachten ist, desto mehr treiben sie nach oben ans Licht meines Tages. Ziellos schwimmen sie in meiner Welt herum und gaukeln mir ihre fragliche Bedeutung vor: Warum ist dieser Tag schon wieder so schnell vorbei gegangen? Wo ist er geblieben? Doch warum, warum nur ist das alles so? So, wie es ist? In meinem Leben! Und: Wird das am Ende auch so sein wie mit diesem Tag? Vor lauter Fragen ist alles plötzlich vorbei gegangen, kaum, daß ich mich versehe und fast, als hätte ich es nicht gemerkt?
Also soll ich das Fragen aufhören? Wie geht das überhaupt?
Sie wirken auf mich wie ein Wald voller Hydranten, diese Fragen. Regungslos und kalt. Unförmig gebogene Fragezeichen. Nur Irrsinnige können sie so entsetzlich gestaltet haben. Verbuckelt, krumm, und unten tropft es auch noch heraus. Sind Fragen inkontinent? Ich meine, diese Frage drängt sich doch geradezu auf. Warum sonst drängt sich nach der ersten gleich die zweite auf?
Es tropft unentwegt Fragen. Eine überschwappende Pfütze, in der ich zu ertrinken drohe. Bevor mein Tag überhaupt erst etwas von meinen eigenen Herzschlag gehört hat, sieht er schon eines dieser Fragezeichen aus mir herauskommen.
Das scheint die fiese Eigenschaft der Fragen zu sein. Aus einer entsteht die Nächste. Sie inflationieren sich selbst. Dabei sind sie überflüssig. Mein Tag funktioniert doch wie von selbst.
Ohne Fragen schreitet er voran.
Es dreht sich nicht um sie, sonst würde er zwischendrin innehalten und warten, bis ich alles beantwortet habe.
Vielleicht dreht sich alles um das, was keine Frage ist. Um das, wo ich hinschaue, wenn ich nicht in den Spiegel gucke.
Da rüber auf diesen Weg vielleicht, der sich dort hinten in der Ferne in den Himmel windet. Und um diese Blümlein am Rand.