Eine wunderbare Stimme stirbt nie

Sie hat das verkörpert, was heute eigentlich kaum einer mehr ausstehen kann: Einen drogensüchtigen Rockstar, der traumhaft singen kann und den ständig die Legenden seiner Unzuverlässigkeit und seiner Eskapaden umranken. Sie hatte die Stimme einer Diva, doch machte es den Eindruck, als würde sie selbst hinter diesem Phänomen gar nicht mehr auftauchen. Und außerdem war da noch so ein Nebengeschmack, als würde sie vermarktet werden, ein klein wenig zu viel für das, was ein junges, sensibles Künstlertalent vertragen kann. Es ist heute schwierig als Mensch, im Dschungel der Vielfalt all dieser Assoziationen ein sauberes, öffentliches Profil zu erringen. Von wem wurde sie so herumgezerrt? Den Medien? Ihren Managern? Der Plattenfirma? Warum war es nicht möglich, sie vor ihrem tödlichen Drama zu bewahren. Das ist es, was mich traurig macht. Sicherlich: Ihr Aufzug und ihre Performance hatte viele abgestoßen. Aber so angebiedert er erschien, er hat andere auch angeturnt. Diese pechschwarze Hexenfrisur und dazu der Klang einer Soulstimme, die so unverwechselbar stark und wunderschön war, dass jede neben dieser Stimme stehende Inszenierung zur billigen Posse verkam. Es hätte all diese Kulissen nicht gebraucht. Denn alles, was mehr war, als ihre Stimme, schien überflüssig und zu viel zu werden. Selbst die Sängerin verschwand, wenn sie sang. Umso aufgesetzter erschien alles, was man von ihr hörte und wußte. War es deshalb so unmöglich, ihr zu helfen? Dabei hatte alles gut angefangen: Ihre ersten Erfolgsstürme brausten durchs Internet, kaum dass ihre Stimme per Mouseclick erklang. Aber die Gewitterwolken zogen herauf, kaum dass man sie zu vermarkten begann und sie sind nie mehr verzogen. Bereits seit Langem schien es jeder zu wissen: Das ist nicht so, wie es bei anderen Stars war, die auf die schiefe Drogenbahn geraten waren und sich selber in irgendwelchen Kliniken wieder herausziehen würden. Schnell wurde Janis Joplin als potentielle Leidensgenossin zitiert. Zu schnell. Schneller, als sie starb, wurde sie totgesagt. Die junge Frau, welche diese unverkennbare und aufwühlende Stimme sang, ist hinter sich selbst verschwunden, kaum dass sie sich überhaupt umschauen konnte. Ich selbst bin durch dieses unerträglich eigenartige Gefühl mangelnder Überraschung und stereotyper Anteilnahme wie man es eben bei Stars hat erschrocken, das ich hatte, als ich gestern vom Tod der großen Soulsängerin Amy Winehouse gehört habe. Ähnlich habe ich es von vielen anderen erzählt bekommen. Fast als wäre ein Körnchen Erleichterung dabei gewesen: Endlich ist es vorbei. Hat man doch schon lange überlegt, wann es sie wohl erwischen wird. Furchtbare Imagewelt, wenn man in ihr ertrunken ist. Doch ihre Stimme ist noch da. Sie ist unsterblich. Stimmen sterben nicht. Wunderbare nie.

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