Nebensächlich

Der Rotwein steckt noch in meinem Kopf und der Geschmack der Zigarre klebt auf meiner Zunge. Der Mond scheint zu nah. Die Sonne explodiert bald. Atomkraftwerke in Japan drehen vielleicht durch. Gigantische Stromausfälle stehen uns bevor. Erdbeben und Tsunamis. 2012 klopft an die Tür. Der Maya – Kalender, Nostradamus, die Hopi-Indianer. Mir ist das ganze Theater schnurzpiepe. Erstaunlich nebensächlich fühlt sich all dies an, wenn ich es gedanklich streife. Guantanamo gibts noch immer, obwohl Obama versprochen hat, es zu schließen, sagte er gestern, ein bißchen länger soll es noch bleiben, ein bißchen. Von Abu Garaib hört man nichts mehr. Daß Libyen zu einem Schlachthaus geworden ist, ist zur Selbstverständlichkeit geworden und die schreienden Mengen Nordafrikas fungieren als ideale Hinterglasmalerei unserer Flimmerkisten. Selbst Guttenberg gehört der Vergangenheit an und mein Erinnerungsgemisch hat  seinen Namen mit einer seltsam schimmernden Patina gelegt. Gestern nacht hat es geregnet. Ich hatte meine Lederjacke rausgehängt, weil sie gestunken hatte. Es war die falsche Pflegepaste, die ich draufgeschmiert hatte, es war eine, die man zum parfumieren von Leder benutzt. Der Geruch muß wieder weg. Heute morgen standen dunkelgraue Wolken vor dem stahlblauen Himmel. Das Meer hatte die gleiche Farbe wie die Wolken, dort, wo sich die Wolken reflektierten. Sonst schimmerte es in seinem Morgenblau. Die imprägnierte Lederjacke verbreitete ihren süßlichen Duft mit jedem Windhauch und ich überlegte: Wieviele von diesen Windhauchs haben während der Nacht den Duft von ihr weggetragen? Wie lange dauert es noch, bis sie nicht mehr riecht. Und für einen Moment wurde mir schrecklich klar: Der Duft wird immer in der Jacke stecken. Ich habe ihn ja reingeschmiert. Ich werde ihn irgendwann vielleicht nur nicht mehr riechen können. Doch da sein wird er noch. Wie die Greuel von Guantanamo immer da sein werden, egal ob dort noch Gefangene sind. Ein bißchen Obama hin oder her. Ist auch fast schon nebensächlich. Die Blume dort drüben schwankt gerade auf ihrem Stil. Zu viel Wind für sie? Jetzt zittert sie. Die schwarze Wolke ist plötzlich weg. Sie ist endgültig weg. Das fühlt sich weniger nebensächlich an.

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