Guttenberg – Jagd: Symptom für ein erkranktes System

Politiker sollten Vorbilder sein. Doch was heißt das? Gelackte, blankgewienerte, fehlerfreie Menschenautomaten? Der Ausspruch “Irren ist menschlich” kommt nicht von ungefähr. Es gibt keine perfekten Menschen. Im Lichte dieser Wirklichkeit ist es beängstigend, wie unsere Gesellschaft von ihren Vorbildern zunehmend die absolute Perfektion abverlangt. Wer einen Fehler begeht, wird  medial gelyncht. Die politischen Giftmischer rühren ihre Kochlöffel geifrig in ihrer dampfenden Rechthabebrühe. Noch erschreckender ist es, wie diese politischen Vorbildfetischisten in allernächster Nähe dramatische, politische Entwicklungen zulassen: das jahrzehntelange Treiben Silvio Berlusconis hat Italien beinahe ruiniert. Victor Orbàn, der rechtsradikale ungarische Staatschef darf EU-Ratspräsident sein, obwohl er in seinem Land die Pressefreiheit abschafft. Die allein gelassene Ukraine entwickelt sich klammheimlich wieder eine Diktatur. Vorbildhafte Politiker sind Menschen, die das Beste wollen, die sich aber nicht in Grabenkämpfen, Egoismus, Selbstbereicherung und Machtkämpfen verstricken. Dabei ist mir das Vorbild, dessen Fehler ich kenne, lieber, als ein gelacktes Hochglanzidol. Die Treibjagd auf zu Guttenberg macht Sorge. Sie ist ein Symptom eines erkrankten, demokratischen Systems, das seine Werte verloren hat.

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