Verschärfte Welt

Verschärfte Welt FottosAls der eiserne Vorhang fiel, hatte ich mich gefreut: Wow, endlich Friede, vielleicht können wir in den zukünftigen Jahrzehnten lernen, unsere Herzen zu öffnen. Als es mit der Globalisierung losging, hatte ich gedacht: Toll, die Welt öffnet sich, Kulturen begegnen sich, wir werden reicher, weil wir einander von dem etwas schenken, was die anderen nicht besitzen.

Als Obama Präsident wurde, hatte ich die Hoffnung, viellleicht setzt wenigstens er endlich einmal etwas von all dem um. Vielleicht kann im Nahen Osten Frieden entstehen, vielleicht wird endlich Guantanamo geschlossen, und damit begonnen, die seit 9/11 so verschärfte law and order-Welt in der Vergangenheit zurück zu lassen.

Als Angela Merkel die Flüchtlinge hereinließ, war ich voller Freude: Ja, wir können nur wachsen, wenn wir uns öffnen – nicht wenn wir uns verschließen und ununterbrochen Grenzen ziehen. Endlich, hatte ich gedacht, ist dieser zutiefst dem Menschlichen zueigene Gedanke auch in der Politik angekommen.

Doch der Fall des Roten Vorhangs hatte keine neue Kultur in den verkrusteten Ostblock gelassen, keine neue Offenheit ist bei uns gewachsen – nur der Maßstab des Geldes und die Herrschaft der Gier. Die Welt hatte plötzlich mit einem Vakuum zu tun, das aus der Ermangelung kriegerischer Spannung entstanden war, und das sie nicht zu füllen wusste. Die Globalisiereung erschöpfte sich in wirtschaftlichen Exzessen und kapitalistischer Ausbeutung.

Nur Geld, nicht die Kulturen globalisierten sich. Und umso hemmungsloser das Geld wucherte, desto eingeschränkter und ‘unglobalisierter’ erging es den Kulturen. ‘Europa’ ist heute vielleicht nur noch ein Wort. Ein traumatisierter, veralteter Begriff, der nichts mehr mit sich anzufangen weiß. Ist Europa etwa überholt? Die Italiener, die Spanier, die Griechen, die Deutschen – sie sind unter sich geblieben. Waren sie sich früher nicht fast näher? Fast ist es so, als zöge sich durch Europa langsam und immer mehr ein unsichtbarer Vorhang, dessen Gesicht man lieber nicht kennenlernen will.

Trotz Obama gibt es Guantanamo noch. Der Nahe Osten ist zu einem scheinbar unbeherrschbaren Feuerherd geworden.Er droht, die Welt um sich herum in Brand zu setzen. Und die ehemals durch einen eisernen Vorhang getrennten Großmächte zündeln eifrig mit. Diese hochgefährliche Entwicklung hatten visionäre Politiker und Fachleute vorhergesagt. Dennoch wurden ihre Ratschläge nicht befolgt. Seit Jahrzehnten gab es nicht so viele Kriegsschauplätze und Krisenherde auf dieser Welt.

Und seit Angela Merkel und all die vielen Deutschen die Flüchtlinge hereingelassen hatten, wird nur noch darüber diskutiert, wie man sie wieder hinaus bekommt, begrenzt, reglementiert. Kein Wort über Möglichkeiten, Chancen, Konzepte, Ideen, Ideale. Als hätte das alles von heute auf morgen gehen müssen. Eine Kaskade an Scharfmacherei bauscht sich stattdessen immer mehr auf, mittlerweile von fast allen Seiten, angestachelt aufgrund ein paar vereinzelter Ereignisse, die populistisch verallgemeinert und für Wahl- und Stimmungsmachereien mißbraucht werden..

Jetzt sollen wir nur noch mit 5000 Euro in bar bezahlen dürfen – angeblich um die ‘Terrorfinanzierung zu erschweren’. Schon wieder eine Einschränkung. Wer glaubt all dies noch? Welcher Vision folgen all diese Verschärfungen? Gibt es überhaupt eine?

Anstatt dass dem erst vor wenigen Jahrzehnten begonnenen Gedanken der Öffnung und der Aufgeschlossenheit auch öffnende und aufschließende Aktivitäten folgten, leben wir in einer Zeit, in welcher auf alles nur noch mit Reglementierung, noch härteren Gesetzen, mit immer globaleren law & order-Aktionismen reagiert wird. Eine verschärfte Welt, die ich vergleichsweise zu meinen eigenen Idealen und Vorstellungen als immer weniger lebenswert empfinde.

Am Erschreckendsten daran ist aber die Alternativlosigkeit: Es gibt keine alternative Strategie, Idee, Partei, keinen Politiker, ja nicht einmal einen vernünftigen, alternativen Ort, wo man hingehen könnte, um all dem auszukommen. Ausser der Weg nach Innen vielleicht. – Der aber nicht als innere Emigration und Rückzug in die Passivität mißverstanden werden darf.

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