Für Wolodymyr Gontscharowski

Wolodymyr Juli 2014

Wolodymyr Gontscharowski (links) mit Christian Seidel im Garten des Evangelischen Stift Krankenhauses in Koblenz, Juli 2014

 Nach einem halben Jahr Kampf, ach was, das ist eigentlich viel zu platt, also nochmal von vorn: Nach einem langen Kampf… Nein, das trifft auch nicht. Zu sehr Schablone. Auf Wolodymyr Gontscharowksi passt keine Schablone.

 

Er hatte ein turbulentes Leben. Im Rennen um das Glück hatte er nie die beste Startposition, vorsichtig ausgedrückt. Dann wurde dieser Mensch, ein strahlender, daquerer, manchmal schwer zu ertragender, und oft zu leicht zu verstehender Mann, einer von der Sorte, über die man gern ein schnelles Urteil fällt, und die genau in ihrer Unberechenbarkeit ihr Schillern und einen großes Herz entwickeln, und die man gerade deswegen zu lieben beginnt, ja dann wurde dieser Mensch in der Institutskaya in Kiew am 20.2.2014 plötzlich von Regierungskräften niedergeschossen, als er sich zwischen den Abenteuern seines Lebens einmal dazu entschlossen hatte, für die Freiheit eines ganzen Landes zu kämpfen, seiner Heimat Ukraine.

 

Über Wolodymyr Gontscharowski kann ich nicht genug sagen. Die Sprache ist dazu kaum in der Lage. Auf eine unbeschreibliche Weise symbolisiert dieser Mensch das fatale Phänomen der Hoffnung. Dieses Donnergewitter zwischen himmelhochjauchzend, alles möglich, aber dann ganz jäh enttäuschend, furchtbar, aussichtslos.

 

Und trotzdem geht es weiter, es blüht und sprießt irgendetwas auf. Diese eigenartig sensible Berührung, die ein Mensch in einem bewirken kann, bei der es dann völlig egal ist, ob das von einem ‘ausgezeichneten’, einem ‘korrekten’ Menschen, einem halbkorrekten, einem guten oder bösen, einem sympathischen oder unausstehlichen, einem Lebenskünstler oder einem Erfolgssurfer kommt.

 

Wolodymyr Gontscharowksi ist ein Held. Einer des Lebens. Er ist ein Symbol. Wolodymyr steht für das, was die Gewehrkugel eines Scharfschützens niemals kaputt machen kann.

 

Ja, das muss man ihm zugestehen, man muss es, man muss es unbedingt, egal, was man sonst alles denken mag. Helden sind nie perfekt. Wolodymyr aber schon.

 

Wolodymyrs Verletzungen zählen wohl zu den Schlimmsten, die man als Mensch ein Leben lang ertragen muss. Lange galt er als nicht rettbar. Bis heute ringt er jede Minute um ein Milligramm Besserung in einem immer wieder und immer wieder unerträglichen Zustand.
Ein wirklich unglaubliches Ärzteteam aus Militärchirurgen und Anästhesie-Spezialisten im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, sowie in der anschließenden Rehabilitation im Evangelischen Sift Klinikum, geführt von Dr. Erwin Kollig und Dr. Walter Ditscheid, und besonders auch ein sein Privatleben manchmal gänzlich aufopfernder Kreis freiwilliger Helfer (Kristina Shyrina, Noelie Uhlmann, Irina Bondarenko und die vielen tollen Menschen aus dem Bereich Köln-Koblenz, die ihn unterstützt haben), haben sich auf eine Weise um diesen Mann gekümmert, dass alleine diese Leistung, finde ich, tonnenweise Orden wert ist.

 

Und jetzt steht es fest: Wolodymyr Gontscharowski wird wieder leben können! Mehr, als er das vielleicht jetzt ahnen mag. Er hat heute Chancen, an die viele Spezialisten vor ein paar Monaten kaum glauben mochten, sondern eben nur hoffen.

 

Wolodymyrs Leben dehnt sich neuerdings plötzlich förmlich aus. Denn Wolodymyr wird sehr bald V a t e r . Mein riesengroßer Glückwunsch! Man kann in einem Krieg offenbar zwar einen Menschen verletzen. Aber vielleicht niemals den Kern, den sein Leben ausmacht, der so unendlich ist, und zu dieser wunderbaren Ausdehnung führen kann. Irgendsoetwas habe ich mir heute gedacht. Wäre das nicht wunderbar, wenn das so wäre!? Ich glaube, es ist so.

 

Wolodymyr, ich wünsche Dir alles Gute. Und wenn immer Du etwas brauchst, melde Dich. Bei uns allen!

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