Jetzt oder nie

Leere oder Völle, wie auch immer

Jetzt oder nie

Umso mehr ich es versuche, desto mehr bemerke ich den Sinn davon, einfach nichts zu tun. Nicht zu reagieren, wenn mir schon wieder der Hals schwillt. Nicht schnell anrufen oder mailen, wenn ich irgendetwas als furchtbar dringlich empfinde. Nichts essen, nichts trinken, außer, ich habe wirklich Hunger. Den ganzen Mist nicht ständig kaufen und damit in kürzester Zeit den Keller vollstopfen, weil man damit eh nichts anfangen kann. Nichts tun ist eine Kunst. Sie bedarf größter Disziplin. Pausenlos muß ich mich beherrschen, nicht gleich wieder irgendetwas zu tun. Diese leeren Räume, die sich sofort anhäufen, können einem Angst machen. Aber sie können mich auch erfüllen, wenn ich sie spüre. Ihren Platz, ihre Weite. Das ist es doch, was ich immer wollte, wenn ich auf den Feierabend, aufs Wochenende, auf den Urlaub gewartet habe. Nicht woanders als in dieser unendlich weiten Leere begründet sich meine Sehnsucht, zu ersaufen in der Action, die ich ständig produziere. Mich tot und fix und fertig zu machen und schließlich zu explodieren und als Staub, Flüssigkeit und als grobe Steinsbrocken durch Weltall zu rasen wie ein berauschter Affe. Nichtstun ist die Implosion meiner Konditionierung. Es ist das Gegenteil von dem, zu was ich trainiert worden bin, als sie mir damals alle gesagt hatten, dies und das müsse ich tun, um irgendwann einmal etwas ganz besonders Tolles und alle anderen Zufriedenstellendes zu sein. Etwas, ja etwas, nicht jemand, sondern etwas. Einen Teufel werde ich tun. Ich schreibe wann ich will und was ich will. Und generell tue ich nichts. Das ist das Schwierigste für mich. Ich mache es jetzt umgekehrt als früher: Da bestand mein Tag zu 90 Prozent aus Action und aus Kampf. Dazwischen habe ich ein wenig von dem reingezwängt, was ich eigentlich wirklich wollte. Heute besteht mein Tag nur aus dem, was ich will. Und dazwischen gestatte ich dem anderen Kram, mit dem ich mein Geld verdienen muß und mit dem ich mit anderen arrangieren muß sein Dasein, solange es  mir recht ist. Ich glaube nicht daran, dass wir Menschen dazu geboren sind, um uns gegenseitig fertig zu machen und um nach einem langen Leben, das im schlimmsten Fall weit an mir vorbei geführt hat, die eigene Lebenslüge mit ins Grab zu tragen. Ich lebe nur einmal. Ich weiß nicht wie lange. Vielleicht nur noch 5 Minuten. Vielleicht noch 40 Jahre. Umso wichtiger wird in dieser absurden Relation der innere Raum des Nichtstuns. In dieser mit dem Verstand nicht messbaren Dimension verliert seine Leere. Er füllt sich mit dem Sinn, dass ich lebe, einfach um zu leben. Das ist alles, aber so viel. Und dann ist es ein solcher Genuß, wenn ich wieder vor irgendeinem dieser Schwachsinnsprodukte stehe, die ich mir kaufen will. Und wenn ich es mir leisten kann, es nicht zu kaufen. Wenn ich mit leeren Händen weitergehe. Tief durchatme. Erleichtert, es wieder einmal geschafft zu haben im Dschungel all dieser Verführungen, bei mir zu bleiben. Kauf doch einfach mal nichts!

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