Flaschenhauptstadt

Saufende Menschen. Jeder zweite hat eine Flasche in der Hand. Ganze Horden. Bereits am Flughafen warten sie. Mit nackten Füßen in ausgelatschten  Sandalen steckend, von ausgewaschenen, hosenartigen Gebilden umschlottert starren sie regungslos ihren Freunden entgegen. Blasse, pickelige Gesichter. In der S-Bahn nach Mitte lallen ein paar im Delirium vor sich hin. Ein anderer starrt mich unentwegt an. Draußen fliegen ein paar Mietskasernen von der Sorte vorbei, bei der ich mir denke, welcher Verbrecher Architekten so etwas beigebracht hat. Später haben sie versucht, die Ungetüme ‚schöner’zu machen, indem sie mit neumodischen grafischen Schriften die Namen von Weltstädten auf die Fassade gemalt haben. Auf eine Häuserfassade haben sie in riesigen Lettern die Währungen der Welt geschmiert: Dollar, Yen, Franc, Pound… Darunter lungern ein paar Typen herum. Sie schieben sich Flaschenhälse in die Rachen. Eine hellblaue Harley tuckert vorbei. Ich atme kurz auf. Wenn es im Film wäre, würde ich ja schon sagen: Geile Location. Ein guter Blues dazu und plötzlich sähe alles ganz anders aus. Auf der Leinwand. Was wären Filme ohne das Hässliche dieser Welt. Drin in der City, ja, dort torkeln sie tatsächlich wieder weiter.  Sie wirken alle gleich. Als wären es immer dieselben. Wandelnde Flaschen. Sie müssen sich aufgegeben haben. Ja, das müssen sie, diese vielen Menschen in Berlin, die so wirken, als wären sie alle dieselben. Ich flüchte in das bestellte Zimmer. Oben drüber dreht einer dröhnende Schnulzenmusik auf.  Ah, genau, und das jetzt musste ja sein! Unten zerschellt eine Flasche. Einer brüllt. Die Trambahn rast davon. Ein paar Scherben mehr oder weniger zwischen all der Hundescheiße am Prenzlauer Berg, was solls.  Vielleicht bin ich ja auch am falschen Platz. Ich glaub ich mach mich mal weg und geh in eine dieser Kulturveranstaltungen hier.

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