Nur ganz wenig, was ich bin

In mir schwankt es. Ich bin entweder für etwas, oder gegen etwas. Selten nur ist alles so in Ordnung, wie es ist. Alleine für etwas zu sein, erzeugt bereits ein wenig Unruhe, denn damit könnte es ja bald vorbei sein. Mit den Gefühlen ist es ähnlich. Nach mehreren Jahrzehnten Dauerachterbahnfahrt versuche ich das innere Theater etwas gelassener zu nehmen. Der Batzen Lebenserfahrung, auf den – so heißt es – man nach einer so langen Zeit stolz sein muß, muuuuß, birgt jedoch nur eine begrenzte Fähigkeit zur Gelassenheit in sich. Statt dessen scheinen die in mir hausenden Strippenzieher nach wie vor ihre Fäden direkt mit meinem Bewegungs- und Aktionsapparat zu verbinden. Sie plärren besonders laut, so scheint es an der Verkniffenheit meiner Augen erkennbar zu sein, was tief in mir drinnen so alles abgeht. Sie jauchzen, wenn es heißt: Gut siehst Du aus! Und ein stiller See ruht angeblich in mir, wenn ich wieder so entspannt aussehe. Siehst Du, Du brauchst mehr von diesem Schlaf, weniger von Deinem Rotwein, mehr Spaziergänge, weniger Streit, Stress, Du brauchst  das viele Wasser, das Du neuerdings trinkst und die Märsche über den Golfplatz! Du brauchst! Du brauchst! Ja bin ich denn selbst allein, so wie ich bin, nie genug? Ich weiß, es ist nur ganz wenig, was ich bin, in Anbetracht der Übermacht meiner inneren Dämonen und Zirkusangestellten. Doch ich werde ihnen nicht mehr auf den Leim gehen. Ich lasse sie einfach ziehen an meinen Gliedmassen und Grimmassen, meine Gesichtsfalten hin- und herdrücken und zerren, ich lasse sie einfach im Magen herumkribbeln, so daß sich das Lampenfieber genauso wie Verliebtsein genauso wie Vorfreude oder schlichtweg genauso anfühlt, als würde etwas Gutes geschehen. Wenn es juckt, dann kratze ich mich. Oder ich kratze mich nicht. Ich mache einfach, was ich will. Basta aus, gut oder schlecht. Dann schwankt es nicht mehr gar so schwer. Und ich bin dann nicht mehr ganz so wenig, vielleicht sogar ein wenig viel.

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