Der lybische Massenmörder und wir

Hunderte Tote Zivilisten. Vielleicht und wahrscheinlich tausende. Flugzeuge schießen in demonstrierende Mengen.  Aber niemand weiß etwas Genaues. Gott sei dank, so scheint es. Ja,  vielleicht stimmt ja alles nicht und weil das schöner wäre, weil beruhigender, glauben wir es leichter. Das Dickicht der Unklarheit in dieser internationalen, politischen Krise ist erschreckend. Die Geheimdienste der führenden Industrienationen scheinen wieder einmal im Dunkeln zu tappen. Es kam ja alles so extrem überraschend, ist es doch nur Monate her, dass sich abzeichnet, zu welchem Aufruhr es in den vor unseren Türen liegenden, arabischen Ländern kommen könnte. Wieder einmal stellen sich alle dumm, taub und blind, ergehen sich in Pseudokommentaren und hohlen Forderungen nach Sanktionen und Co.. Es ist wie beim Kollaps von Lehman Brothers, von dem niemand unserer großartigen Regierungs-Rechercheure vorher gewußt hat. Es ist wie beim Massaker von Srebreniza, das vorher in der Zeitung angekündigt wurde und dennoch vor den Augen der UNO – Soldaten tausende hingemetzelt wurden, wie beim Genozid in Ruanda, welcher sich vor den Augen der UNO anbahnte, welcher verhinderbar war, es ist wie bei so vielen politischen und wirtschaftlichen Ereignissen: Alle reden gescheit  und keiner scheint verantwortlich zu sein. Es ist ein Armutszeugnis und ein unfassbarer Skandal, dass wir Industrienationen, wir Freiheitsapostel und Demokratie-Missionare solchen blutigen Szenarien in anderen Ländern offenbar hilflos gegenüber stehen. Oder steckt eine Strategie dahinter? Oder sind wir erpressbar? Ist es Gaddafis Öl, das über Triest nach Bayern  eingespeist wird, von dem wir abhängig sind? Falls ja, wie weit darf so eine Bindung gehen? Warum fallen die Reaktionen der Regierenden auf das Morden so zaghaft aus? Die hochgelobten Umwälzungen der arabischen Ländern sind noch lange nicht das Ende der Fahnenstange: Was kommt danach? Es könnte noch viel schlimmer kommen, als es vorher war. Wer macht sich darüber Gedanken? Unsere Politiker lähmen sich in einem legislaturperiodistischen Autismus mit  Intrigen und verbalem Herumgeholze: Der Dr. zu Guttenberg – Skandal wird bis zum Erbrechen rauf- und runter dekliniert. Und anderer Unfug. Es fehlt an Größe, an einem beherzten Blick hinter das Ziel. Wir benötigen eine Vision. Eine, die hinter die Veränderungen reicht, die sich überall und immer schneller vollziehen. Unsere Politiker geben im Lichte der nationalen und internationalen Ereignisse dieser Tage ein jämmerliches Bild ab. Sie gehören ebenso ersetzt, wie die Schergen in Nordafrika. Wir brauchen mutigere, realitätsnahere und weitsichtigere Persönlichkeiten und modernere, freiheitsorientierte Strukturen, die den Konsequenzen einer immer rasender auf uns zukommenden Zukunft Rechnung tragen kann. Wir selbst leben in einem dringend überholungsbedürftigen System. Das zeigt uns die lasche Beziehung unseres Landes zu dem Terror- und Mordregime des Herrn Gaddafi in Lybien, dessen Söhne in unseren Universitäten studieren und gleichzeitig offiziell und ungestraft den Mord an ihren Landsleuten  verkünden dürfen.  Das zeigt uns, wie Victor Orbàn als Ratspräsident der EU geduldet wird. Der Interimschef eines freiheitlich-demokratischen Staatenbundes ist ein rechtsradikaler Politiker, der im eigenen Land die Pressefreiheit abgeschafft hat. Das zeigt uns unser unbeteiligtes Zusehen an Italiens Berlusconi – Misere, wie wir die schleichende Entwicklung der Ukraine in Richtung Diktatur à la Weissrussland übersehen, das zeigt uns die Akzeptanz von Neonazi-Aufmärschen in Ostdeutschland und das wahlopportunistische Herumgespachtele am Hartz IV – Armenbrot von Millionen Bedürftigen in unserem Land. Wohlstand und Freiheit erhalten sich nicht von alleine. Wer das glaubt, wird sie verlieren.

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