Lukas Lessing: Unklar! Warum, liebe Natur sehen Frauen und Männer so unterschiedlich aus?

Christian Seidel: Die Frage schlägt dem Faß der Unklarheit beileibe den Boden aus. Zunächst einmal braucht es ja zweierlei Geschlechter, schon alleine der Fortpflanzung wegen. Das scheint beim Menschen allerdings besonders kompliziert geregelt zu sein. Denn die Notwendigkeit der Mehrgeschlechtlichkeit ist ja nicht zwingend, wie die Natur es beweist: allein der Hefepilz Candida Albicans, der in uns selbst lebt, betreibt seine Fortpflanzung eingeschlechtlich, schwul. Er vermehrt sich nur aus seinen männlichen Bestandteilen. Und im Dezember ist es Wissenschaftlern gelungen, Mäusekinder mit zwei Vätern zu erzeugen. Dabei fällt mir auf: Immer sind es Männer, die gleichgeschlechtlich fortpflanzen können! Vielleicht sollte man auch hier eine Frauenquote einführen! Doch insgesamt scheinen in der Biologie unterschiedliche Geschlechter bei der Fortpflanzung nicht zwingend zu sein. Da sind wir als Menschen noch etwas hinten dran. Bei den Pflanzen gibt es in einer gleichgeschlechtlichen Fortpflanzung keine Unterschiede. Und umgekehrt nimmt bei den Amöben die Geschlechtervielfalt sogar zu: Sie bringen es gleich bis auf drei Geschlechter! Die Geschlechtszugehörigkeit von Dickhornschafe allerdings ist nicht nur für Wissenschaftlicher ein Rätsel, sondern auch für die Tiere selbst: Sie sehen so gleich aus, daß sie bei den Paarungszeremonien lediglich durch ihr Verhalten in Ansätzen männliche oder weibliche Verhaltensweisen zeigen. Und das ist eben der Auswuchs der absoluten Unklarheit: Warum sehen gerade die Menschengeschlechter so unterschiedlich aus? Warum kleiden sie sich obendrein unterschiedlich so, daß sie noch viel mehr wie Mann oder Frau aussehen!? Vielleicht hat das Ganze einfach wirtschaftliche Gründe. Ein neuer Crash stünde uns nämlich bevor, wenn nach den Zigaretten, den freien Parkplätzen in Innenstädten, den Glückspielautomaten in Kneipen (wobei sich der Herr Gauselmann mal nicht so anstellen soll), der Pressefreiheit in manchen EU-Ländern (Ungarn ist ja nicht der Anfang), der Parteienvielfalt in Deutschland (was ist Vielfalt, wenn alle gleich sind?) nun auch noch die freie Besetzung von Führungsgremien eingeschränkt, reglementiert oder sogar verboten würde. Die Auswirkungen hätten vermutlich eine kulturhistorischer Reichweite:  Es könnte im nächsten Zuge auch die Frauen- und Männermode diktiert und gleichgeschaltet werden. Das wäre eine geradezu zwingende Konsequenz, denn wie soll man denn in den Pareteien und Gremien sonst Mann und Frau voneinander unterscheiden. Wenn am Ende die Frauen keine Röcke mehr tragen und die Männern keine Anzüge mehr. Motto: Habe ich eine Chefin, so trage ich Rock! Wenn Manager aus Angst vor der Quote höhere Absätze tragen, keine dicken Gürtel mehr, oder wenn alle in gleichen Klamotten durch die Gegend rennen müßten, Männer plötzlich von süßen Parfumdüften umwölkt ins Vorstandsmeeting wehen und Frauen nach Rasierwasser duftend durch die Flure marschieren, gleichgequotet eben. Ich bin dafür, daß jeder alle Chancen hat. Unsere Gesellschaft soll das möglich machen. Doch ich glaube, es gibt Wichtigeres zu tun, als nun wieder mit der Schublehre die Quadratur der Emanzipation weiter zu drehen, nur um für die nächsten Wahlen möglichst viele Frauenstimmen zu ergattern. Und das bringt mich zu meiner nächsten Frage: Mir ist unklar, warum wir das mitmachen? Warum machen wir so einen Schwachsinn mit? Warum bilden wir keine Facebook-Massen und wälzen uns durch die Straßen, damit endlich Schluß ist mit dem Aktionismus dieser Legislaturperioden-Politik, die alles lähmt, die uns so langsam macht, wie eine veraltete Diesellock, an der bereits die High – Speedzüge der modernen Supernationen vorbeijagen.  Unser freies System in allen Ehren. Aber ist es wirklich noch so frei? Was ist Freiheit überhaupt? Daß jeder alles sagen kann und trotzdem Nichts passiert? Wir leben in einer Diktatur der Bewegungslosigkeit und des Stillstandes. Wie sonst können wir es dulden, daß sich Politiker in unserer parlamentarischen Demokratie fortgesetzt mit einem solchen Stuss beschäftigen? Horden von Gelehrten bücken sich jetzt über die Doktorarbeit des Verteidigungsministers. Wer ist jetzt weniger integer, das frage ich: Diejenigen, die die letzte Kellerassel suchen, um einem Politiker zu schaden, oder derjenige, der ein wenig abgeschrieben hat? Leben wir vielleicht gar nicht mehr in einem freien, funktionstüchtigen System? Meine Frage unterm Strich: Mir ist unklar, was eigentlich ein Vorbild ist?


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